Donnerstag, 4. April 2013

Buchrezension: Eine Landkarte der Zeit. Wie Kulturen mit Zeit umgehen von Robert Levine


Jeder kennst es: es gibt Planmenschen und es gibt Spontanmenschen. C.G.Jung bezeichnete die ersten als Rationale und die zweiten als Irrationale. So werden sie auch heute in der Sozionik bezeichnet. Die ersten sind eher planend und die zweiten eher reagierend.
 Irrationale Menschen haben als Basisfunktion ihrer Psyche die Intuition oder Sensorik. Das ermöglicht ihnen, besser auf die sich verändernde Situationen zu reagieren. Für mich war es lange ein Rätsel, wie Basis-Zeitintuitive, d.h. Menschen mit einem vierdimensionalen, bewussten und globalen Zeitgefühl irrational-reagierend sein können. Prädestiniert denn ein hervorragendes Zeitgefühl nicht gerade dazu, Ereignisse zu PLANEN?

ISBN: 978-3-492-22978-4
 
Ich habe das Buch in der Hoffnung gekauft, dass der Autor ein Basis-Zeitintuitiver ist und mir eine Antwort auf meine Frage geben kann. Meine Hoffnungen haben sich erfüllt. Levine ist tatsächlich ein intuitiv-logisch introvertierter (ILI), der dazu noch seine natürliche Begabung zu seinem Beruf machte. Levine weiß über die Zeit alles.

Seine Erzählung bewegt sich entlang der gesamten menschlichen Geschichte. Er beschreibt den Umgang mit der Zeit im Altertum, wie in den USA historisch-wirtschaftlich die Zeitzonen eingeführt wurden, die Geschichte der Zeitgeräte, den spezifischen Umgang mit der Zeit in einigen primitiven und hochentwickelten Gesellschaften der Gegenwart. Er beschreibt die vielen Zeitarten, die es gibt. Uhrzeit, Ereigniszeit, Kalenderzeit, emotional gefühlte Zeit, wie man die Zeit dehnen und verkürzen kann, Zeitsprünge. Natürlich konnte Levine als Handlungslogiker auch den Wirtschaftswert der Zeit nicht außer Acht lassen und das ist ihm gut gelungen. Den historischen Wirtschaftswert und den Wirtschaftswert in unterschiedlichen Kulturen hat er dargestellt, u.a. am Beispiel der europäischen und amerikanischen Kulturen.

Der Unterschied im Zeitumgang zwischen den Irrationalen und Rationalen Menschen ist ihm auch nicht entgangen, er Beschreibt nicht nur gut diesen Unterschied (in Begriffen wie P-Zeit-Menschen und M-Zeit-Menschen), sondern auch die Vorzüge und Gefahren, wenn die Rationalität oder Irrationalität zu einer leitenden Firmenkultur wird. Interessant fand ich, dass seine Meinung zum harmonischen Zusammenspiel der Rationalität und Irrationalität sich mit den Empfehlungen der Sozionik zu 100% deckt. Irrationale Menschen fühlen sich in irrationalen Organisationen und Firmen unwohl, die fehlende Planungssicherheit belastet. Auch Rationale Menschen fühlen sich in irrationalen Organisationen unwohl und eingeegnt in zu starre Pläne. Um einerseits nicht im Chaos zu versenken und andererseits Erneuereungen (z.B. auf den Märkten) nicht zu verpassen, ist es für die Existenz von vielen Organisationen jedoch optimal, wenn sie sowohl Rationale als auch Irrationale beschäftigen. Für das Privatleben wird eine Kombination dieser beiden Eigenschaften aber nicht empfohlen. Durch den engeren Kontakt in Partnerschaften wirkt der unterschiedliche Ansatz von Rationalen und Irrationalen mehr störend denn harmonisierend.

Eine Antwort auf meine Frage habe ich auch bekommen. Den Basis-Zeitintuitiven liegt es schlicht mehr an der Ereigniszeit. Und Ereignisse treten häufig spontan und ungeplant auf. Wie ein anderer ILI zum Thema seiner privaten Planung mal sagte: „Es wäre ja schrecklich, wenn ich bereits am Dienstag wüßte, was ich am Wochenende machen werde.“

Für diese Antwort und für den großartigen Ausflug in die Materie ZEIT richte ich an Robert Levine meinen größten Dank!